Gott wird vom Mystiker nicht nur geglaubt oder philosophisch erschlossen, sondern seine Existenz wird durch religiöse Erlebnisse erfahren. Der Höhepunkt dieser Erfahrung, der Vereinigung Gottes mit der Seele (Unio mystica), besteht in der kurzfristigen Aufhebung des Unterschiedes zwischen dem Subjekt des Strebens, der menschlichen Seele, und dem Objekt, das angestrebt wird: Gott. Doch nicht nur darauf bezieht sich die vorliegende geschichtliche Analyse, sondern auch auf Mystik im weiteren Sinne, also die gesamte Frömmigkeitshaltung, die zu diesem Erleben hinführen will.
Dabei werden zeitgenössische Quellen analysiert, die Offenbarungs- oder Revelationsliteratur, Biographien, Heiligenviten, von mystischem Erleben angeregte Gedichte, Briefe und Reflexionen, auch vielfältige Bilddokumente, dies ohne ideologische (Dis-) Qualifizierung von kirchlicher und ketzerischer, orthodoxer und häretischer, echter und falscher, gesunder und krankhafter Mystik.
Behandelt werden nicht nur die großen Vertreter der Mystik in der europäischen Geistesgeschichte, sondern gerade auch die vielen unbekannten, aber oft umso interessanteren Charismatiker und auch die, die der Kirche als "Ketzer" galten.
Dr. phil. habil. Peter Dinzelbacher, geboren 1948, Lehrtätigkeit an verschiedenen Universitäten in Deutschland, Österreich, Italien und Dänemark, seit 1998 Honorarprofessor für Mentalitätsgeschichte an der Universität Wien. Zahlreiche Publikationen, speziell zur Religiosität und Mentalität des Mittelalters.